Worum geht es?


Entwicklungs-Fotografie

In diesen Foto-Geschichten geht es vorrangig um Geschichten. Überpersönliche. Die sich zeigen während eines fotografischen Entwicklungs-Prozesses. Aber auch um Biografisches, um Wandlung und dem Spiegeln dieser Entwicklung. Also um Persönliches. 
Dazu benutze ich meine Spiegelreflexkamera mit einem 200mm Tele-Objektiv. 

Es geht darum, Verborgenes zu entdecken und fotografisch-künstlerisch darzustellen. Mir ist es wichtig, dass das Lebendige sich zeigt. Das Authentische. Das Schöne. Vielleicht auch das Neue oder bisher Unbekannte. Das Geheimnisvolle. Oder der Humor. Mal mit Tiefgang und auch mal ohne. 

Am Beginn des Prozesses führe ich und vielleicht entstehen Posen, doch dann kommen wir schnell ins gemeinsame Experimentieren. Wir wandern und suchen geeignete Plätze an einem ungewöhnlichen Ort. Ich lasse mich dabei von meiner Intuition leiten und arbeite im Flow. 

Immer mal wieder zwischendurch und dann am Ende jedes Shootings sehen wir uns die Fotos gemeinsam an und besprechen dann den entstandenen inneren und äußeren Prozess. Finden gemeinsam die aussagekräftigsten Bilder, bringen sie in die richtige Reihenfolge und finden die darin verborgene Geschichte. 

Ulrieke Thiesen

Frank Jessen

Als das Schicksal zuschlug


Vor sechs Jahren verlor ich mein linkes Bein
Es war eine Erbkrankheit.

Frank: "Ja, wie war das, als ich da im Krankenhaus lag und die Amputation durchgeführt werden sollte?

Ich wurde irgendwann fertig gemacht für die OP und wusste, dass ich einen Teil meines Beines verliere, aber ich wusste nicht, wieviel. Und dann kam der Moment des Erwachens im Aufwachraum und mein linker Arm fuhr den Oberschenkel hinab, um zu fühlen, wieviel Restbein noch da war. Kniescheibe noch gefunden und jubiliert! Die Schwestern und Ärzte waren sehr besorgt und fragten sich: "Warum feiert er das jetzt bloß?“ Ich wusste, dass das die eleganteste Lösung für mein Problem war. Warum? Das wäre jetzt zu umfangreich und kompliziert zu erklären, aber durch diese Art der Amputation konnte ich eine Prothese bekommen mit der einfachsten Technik (elektro-hydraulisch)."

Das Leben war nicht leicht
Es dauerte, bis ich mich auf alles einstellen konnte
Meinen eigenen Weg damit fand

"Schwierig waren die Phantom-Schmerzen, die von einer Sekunde auf die nächste kamen und bis jetzt kommen, aber das sind nur kurze Momente. Seelisch zu verarbeiten war das nicht so schwierig für mich. Wenn ich allerdings auf meine Behinderung reduziert werde, dann geh ich steil."

Es gab am Anfang schwere Momente
Weil ich mich fragte
„Warum ich?“
Schaute hinaus aus meinem Gefängnis
Und wünschte, mich FREI zu fühlen

"Doch dann habe ich mich selbst rausgezogen, indem ich zum Wasser gefahren bin und das Laufen trainierte und mich so ablenken konnte. Mein Tief hab ich mir so weggearbeitet."

Und irgendwann 
Entdeckte ich meine KRAFT wieder

"Mein Umgang mit der Amputation ist eine Mischung aus Humor, Sarkasmus und Realitätssinn. Wenn mir mein hintergründiger, schlitzohriger und trockener Humor verloren gegangen wäre, hätte ich das alles nicht durchgestanden. Es ist zwar kein Kindergeburtstag, diese Geschichte, aber ich glaube, dass es Menschen gibt, denen es viel schlechter geht als mir."

Meine Kraft habe ich aus dem Willen gezogen
es zu SCHAFFEN
wieder am Leben teilnehmen zu können.

Und ich habe diese KRAFT einfach!


So ging ich frohen Mutes in die Zukunft

Es GING ...
Es LIEF ...

Ich war mir sicher, dass ich es schaffen würde 


Doch da verlor ich das zweite Bein


Nun beginne ich von vorn
Sitze noch im Rollstuhl 
Die zweite Prothese schon fertig 

"Ja, ich bin manchmal einsam. Eine Flasche Rotwein verdünnt hat da schon mal geholfen. Doch ich mache mich nicht verrückt. Nur könnte ich in manchen Situationen eine helfende Hand gebrauchen. Und es gibt gute und schlechte Tage. Gestern ging es mir schlecht. Die Phantomschmerzen dann sind wie böse Geister. Doch zum Glück habe ich wenig Schmerzen und meine Konzentrationsübungen helfen mir sehr. Ich gehe dann in Gedanken einen Weg zum Wasser am Strand entlang. Fokussiere mich völlig auf dieses Gehen und wenn ich gut bin, verschwinden die Schmerzen auch wieder."


Wie es mir sonst geht?

Ich bin bereit
Bin ungeduldig
Mein Kopf ist voller Pläne
Was würde ich nicht gerne alles machen
Mit eigenem Fahrzeug ...
Doch die Fortbewegung ist schwierig
Dazu dieser ganze Krempel mit den Behörden


Ja, ich freue mich über mehr Mobilität
Auch jetzt schon
Übe jeden Tag
Mit meinen beiden Prothesen
Und mit dem Rollator
Und auch manchmal einen kurzen Augenblick ohne

Einfach mal wieder stehen
 Und tief Luft holen
Alles aus einer anderen Perspektive
Neu betrachten
Das tut soo gut

Ich möchte ohne Rollator gehen 
Dazu muss ich wie ein Kleinkind wieder laufen lernen 
Vertrauen gewinnen
Mir sagen: 
DU KANNST DAS!

"Unter Umständen geht es jetzt nach meiner zweiten Amputation aber sogar ganz schnell mit dem Laufen, weil ich ja mit meiner ersten Prothese schon trainiert bin. Ich muss jetzt einfach ran und los. Mein Ziel ist in der kürzest möglichen Zeit laufen zu können. Ich muss nur erst einmal verinnerlichen, wie das Laufen mit den jetzt zwei Prothesen funktioniert, ohne bei jedem Schritt darüber nachdenken zu müssen.
Und ich weiß, dass ich es schaffen WERDE, Heiligabend wieder zu STEHEN und ein paar Schritte zu GEHEN."


"Ich will auch wieder Autofahren können, wofür ich drei neue Fahrstunden brauche. Leider sind die unverschämt teuer! Und auch muss mein Auto umgebaut werden  und braucht neuen TÜV. Ja, das ist alles nicht einfach.

ABER ICH WERDE ES SCHAFFEN!"

Ich bin ein cooler Typ 
Ein echter Angeliter 
Und spreche auch noch Platt

Text von Frank Jessen


Und er hat es geschafft
Fährt jetzt einen Elektro-Kabinenroller 
... niegelnagelneu !